Presseinformationen der ÖÄK
Ohne strukturelle Verbesserungen im Kassensystem kann es nicht gelingen, die Versorgung nachhaltig abzusichern. Zwangsverpflichtungen von Wahlärztinnen und Wahlärzten seien nur Aktionismus.
„Der Zuzug ins Wahlarzt-System in den vergangenen Jahren ist die klare Abstimmung mit den Füßen: Immer mehr Ärztinnen und Ärzte können die Bedingungen, die das Kassensystem mit sich bringt, nicht mit ihrer Vorstellung vereinbaren, wie sie ihren Patientinnen und Patienten helfen wollen“, stellt Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, klar. Darüber brauche niemand überrascht sein, die Ärztekammern würden seit vielen Jahren vor den Folgen dieser Entwicklung warnen. „Wenn Ärztinnen und Ärzte nicht im Fünf-Minuten-Takt Patientinnen und Patienten abarbeiten und dabei leistungsfeindliche Deckelungen und Limitierungen hinnehmen wollen, dann stimmt etwas mit dem System nicht“, konstatiert Steinhart. Wahlärztinnen und Wahlärzte seien aktuell ein ganz wichtiger Baustein der Gesundheitsversorgung – sie in ein System hineinzuzwingen, dessen Weiterentwicklung jahrelang hintangehalten wurde, sei nur Aktionismus ohne Nachhaltigkeit, so Steinhart. „Nötig sind vielmehr ganz grundlegende strukturelle Verbesserungen, wie die Aufwertung der Gesprächsmedizin, flexiblere Kassenverträge, Abbau von Bürokratie – dann werden wir auch wieder mehr Kassenärztinnen und Kassenärzte finden. Das wissen wir aus Befragungen unter Wahlärztinnen und Wahlärzten: Das Interesse an Kassenverträgen ist vorhanden, die Rahmenbedingungen müssen verbessert werden“, fasst der ÖÄK-Präsident zusammen.
Positives Beispiel für einen einheitlichen Leistungskatalog
Es sei bemerkenswert, dass der stv. Obmann der ÖGK, Andreas Huss, zuletzt den Kassenärztemangel unter anderem mit den fehlenden österreichweit einheitlichen Leistungen begründete: „Diese Schieflage, dass Patienten bundeslandabhängig unterschiedliche ärztliche Leistungen erhalten, obwohl sie überall gleich viele Beiträge zahlen, hätte schon längst bereinigt werden können“, kritisiert Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Schließlich habe die Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte das Megaprojekt in jahrelanger Arbeit bereits vor eineinhalb Jahren abgeschlossen und der ÖGK auf den Tisch gelegt: „Selbstverständlich sollte dieser lieber heute als morgen umgesetzt werden“, betont Wutscher.
Ein positives Beispiel für einheitliche Leistungen bundesweit sei die SVS. Mit ihr sei die Gesprächssituation konstruktiv und die nun neu verhandelten, modernen Leistungen werden am Freitag in einer gemeinsamen Pressekonferenz in der SVS präsentiert: „Dieses Beispiel zeigt ganz klar: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg für konstruktive Lösungen, anstatt öffentlichkeitswirksam etwas zu monieren, was schon längst hätte umgesetzt werden können“, sagt Wutscher.
Was den geplanten Gesamtvertrag angehe, habe es leider von Seiten der ÖGK bis heute noch keine Versuche gegeben, in Verhandlungen zu treten: „Wir sind jedenfalls für konstruktive Gespräche bereit“, betont Wutscher.
Objektiver Behandlungspfad für Patienten notwendig
„Die Versuche, jetzt Wahlärztinnen und Wahlärzte in das Kassensystem zu zwingen, sind für nur verzweifelte Ablenkungsmanöver von den wahren Herausforderungen“, kommentierte Harald Mayer, Vizepräsident der ÖÄK und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte den Vorstoß in Richtung Verpflichtung von Wahlärzten, zum Kassentarif behandeln zu „müssen“.
Herausforderung Nummer eins sei, sofort für eine verbindliche Patientenlenkung zu sorgen. „Es muss ein objektiver Behandlungspfad her, der die Patientinnen und Patienten davor bewahrt, auf Eigeninitiative beliebige Ebenen des Gesundheitssystems in Anspruch zu nehmen, die sie vielleicht gar nicht benötigen“, so Mayer. Das sei gleichzeitig zum Nachteil der Patientinnen und Patienten, die sich die richtige Anlaufstelle für die optimale Behandlung erst suchen müssen, zum Nachteil der Ärztinnen und Ärzte in den ohnehin überlasteten Spitälern und schlussendlich zum Nachteil aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, weil das System unnötig verteuert wird. „Wir brauchen einen klaren Lenkungsmechanismus, bei dessen Umsetzung wir gerne behilflich sind“, hält Mayer fest. Mindestens ebenso wichtig sei es, die Leistungserbringer im Gesundheitssystem ordentlich zu behandeln und deren Arbeit wertzuschätzen. „Freie Ärzte, die sich für das Wohl der Patientinnen und Patienten tagtäglich einsetzen, mit Zwangsmaßnahmen die Versäumnisse der Vergangenheit ausbaden zu lassen, ist der falsche Weg“, unterstreicht Mayer.